»Der Leinwandmesser«: die Tolstoi-Erzählung als Hörbuch bei Der Audio Verlag
Mit »Anna Karenina« und »Krieg und Frieden« hat Leo Tolstoi Werke geschaffen, die aus dem Kanon der Weltliteratur nicht mehr wegzudenken sind. Aber auch seine weniger bekannten Titel offenbaren das Genie des großen russischen Schriftstellers: So stellt Tolstoi in seiner Erzählung »Der Leinwandmesser« die Beziehung zwischen Mensch und Tier in den Vordergrund. Er wirft die Frage auf, was das Lebensende eines jeden Lebewesens unterscheidet und betont die Parallelen zwischen menschlichem und tierischem Niedergang. Leo Tolstoi selbst hat die Frage nach einem moralisch richtigen Umgang mit Tieren stets bewegt. Er ernährte sich vegetarisch und prangerte den exzessiven Fleischkonsum der Oberschicht im zaristischen Russland an. Armut und Tierleid denkt Tolstoi auch in seiner Erzählung »Der Leinwandmesser« zusammen: Das Pferd mit dem außergewöhnlichen Namen lässt sein Leben Revue passieren und erzählt seine bewegte Geschichte. Rolf Boysen leiht dem Wallach Leinwandmesser seine Stimme; die NDR Kultur-Lesung erscheint bei DAV als Hörbuch und umfasst 1 mp3-CD.
»Und doch wurde man diesem Abscheu erregenden Alter zum Trotz unwillkürlich nachdenklich, wenn man dieses Pferd betrachtete.«
Der Wallach Leinwandmesser hat ein langes und bewegtes Leben hinter sich. Nun ist er alt und krank und beschließt, seinen jüngeren Stallgenossen von seinen Erlebnissen zu erzählen. Einst war Leinwandmesser ein außergewöhnlich starkes Pferd, seinen Namen hatte er seinem stolzen, weit ausschreitenden Gang zu verdanken. Man konnte sogar von einer kleinen Berühmtheit sprechen, denn Leinwandmesser war landesweit bekannt für seine Kraft und Leistungsfähigkeit. Doch dann geriet er an den falschen Besitzer: Nikita Serpuchowskoj, ein angesehener Bürger Russlands, ritt das Tier zugrunde. Am Ende seines Pferdelebens trifft Leinwandmesser wieder auf seinen einstigen Peiniger, der ein ähnliches Schicksal wie das Tier erleidet: den körperlichen aber auch seelischen Verfall, durch den das Lebensende von Mensch wie Tier geprägt ist.
Rolf Boysen liest den Tolstoi-Klassiker »Der Leinwandmesser«, eine Produktion von die NDR kultur
Der vielfach ausgezeichnete Theater- und Filmschauspieler Rolf Boysen (†2014) versteht es meisterhaft, die besondere Erzählperspektive in Leo Tolstois Erzählung »Der Leinwandmesser« einzunehmen und mit Leben zu füllen. Auch vermag es Boysen, der für sein Lebenswerk unter anderem 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, Tolstois latente Sozialkritik an der zaristischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in seiner vom NDR Kultur produzierten Lesung einzufangen.