»Die wunderbaren Jahre«: Reiner Kunzes Abrechnung mit der DDR als Hörbuch bei DAV
Ein achtjähriger Junge, der ständig pantomimisch ein Gewehr auf andere richtet. Eine rebellische Fünfzehnjährige, die in ihrer Schule ausgegrenzt wird, weil sie anders sein will. Ein Lehrling, der nicht in die Nähe von Berlin reisen darf, weil er sich weigert, eine Bibel aus seinem Regal zu entfernen. Es sind Geschichten wie diese, von Kindern und Jugendlichen in der DDR, die Reiner Kunze über die Jahre gesammelt und schließlich in »Die wunderbaren Jahre« zu einem vernichtenden Fazit der DDR-Erziehungspolitik zusammengefasst hat.
Eine Textsammlung, die ihren Autor seine Staatsangehörigkeit kostete
Gerade die Berichte von Kindern und Jugendlichen waren es, die den auch als Kinderbuchautor (z.B. »Der Löwe Leopold«) erfolgreichen Reiner Kunze letztlich zu dieser drastischen Abkehr von dem sozialistischen Staat, den er ursprünglich unterstützt hatte, bewegten. Wie junge Menschen in der DDR zu Gehorsam, Einheitlichkeit und Staatstreue erzogen wurden, beschreibt Kunze in dieser Textsammlung eindrucksvoll. Während das Buch in der BRD ein Publikumserfolg war, war Kunzes Schriftstellerkarriere in der DDR mit diesem Werk beendet. 1977, ein Jahr nach Veröffentlichung von »Die wunderbaren Jahre«, siedelte Reiner Kunze in die BRD über.
Die von MDR Figaro produzierte Hörbuchfassung mit Winfried Glatzeder als ungekürzte Lesung
Für die Hörbuchfassung dieses aufrüttelnden Werks konnte MDR Figaro einen Bruder im Geiste als Sprecher gewinnen. Auch Winfried Glatzeder feierte als Schauspieler zunächst große Erfolge in der DDR (»Die Legende von Paul und Paula«), fühlte sich aber durch die Einschränkungen in dem sozialistischen Staat mehr und mehr erdrückt. 1982 durfte Winfried Glatzeder, nach mehreren Ausreiseanträgen, in die BRD übersiedeln. Die ungekürzte Lesung dieser Sammlung von Prosatexten ist nun bei DAV auf 1 mp3-CD mit einer Gesamtspieldauer von knapp zwei Stunden in der DAV-Reihe »Große Werke. Große Stimmen.« erhältlich.