Herman Melvilles »Der Schreiber Bartleby« als ungekürzte Lesung im Klassiker-Programm »Große Werke. Große Stimmen.« bei Der Audio Verlag
Bartleby ist neuer Angestellter in einer Anwaltskanzlei an der Wall Street in New York. Freudlos, aber fleißig arbeitet er vor sich hin, bis er eines Tages kundtut: »Ich möchte lieber nicht.« Ein Satz, der nicht ohne Konsequenzen bleibt. In der DAV-Reihe »Große Werke. Große Stimmen.« ist Herman Melvilles Klassiker als ungekürzte Lesung mit Walter Hilsbecher, produziert vom SR, als Hörbuch auf 1 mp3-CD (104 min) erschienen.
Die Rebellion des Büroangestellten: »Ich möchte lieber nicht.«
Mitte des 19. Jahrhunderts müssen noch alle Kopien in den Büros der New Yorker Wall Street als Abschriften von Hand gefertigt werden. Genau das ist der Job von Bartleby, dem Schreiber. Tageslicht muss meistens leider draußen bleiben und gelangt nicht zu seinem Arbeitsplatz. Stattdessen hat das Büro Ausblick auf eine Brandschutzmauer. Trotzdem arbeitet Bartleby sorgfältig und pflichtbewusst vor sich hin – zunächst. Eines Tages lehnt er einen Extraauftrag seines Arbeitsgeber mit den Worten ab: »Ich möchte lieber nicht.« Dieser Satz manifestiert sich im folgenden Verlauf zu seiner Grundeinstellung. Obwohl er vorerst weiterhin arbeitet, lehnt er immer mehr Aufträge, dann aber auch Mahlzeiten und sogar das Verlassen des Büros ab. Selbst nach seiner Kündigung zieht er es vor die vier Wände des Büros nicht zu verlassen. Ein Zustand, der bald nicht länger tragbar ist.
Die tristen Mauern der Wall Street: Melvilles eigene Ernüchterung in »Der Schreiber Bartleby«
»Der Schreiber Bartleby« erschien zwei Jahre nach Herman Melvilles »Moby Dick«, blieb aber zu Melvilles Lebzeiten relativ unbeachtet. Die Erzählung wurde 1853 in Putnam’s Monthly Magazine abgedruckt, drei Jahre später in Melvilles Kurzgeschichtensammlung »The Piazza Tales«. Heute ein Klassiker der Weltliteratur, sehen viele Kritiker in der Erzählung auch Melvilles eigene Frustration über seine nicht mehr anerkannte Arbeit. Eingepfercht von Mauern physischer und metaphorischer Natur steht Bartleby stellvertretend für die Leblosigkeit der täglichen Eintönigkeit, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt.
Die ungekürzte SR-Lesung von »Bartleby« in der Hörbuch-Edition »Große Werke. Große Stimmen.«
Hörbuch-Sprecher Walter Hilsbecher ist selbst Schreiber, wenn auch nicht im Sinne Bartlebys. Er ist Schriftsteller, Lyriker, war Gründungsmitglied der »Gruppe 47« und darüber hinaus aktiv am Kulturprogramm für die verschiedenen westdeutschen Rundfunkanstalten tätig. In der vom SR produzierten ungekürzten Lesung von Melvilles Erzählung »Der Schreiber Bartleby« erweckt Hilsbechers Stimme empathisch die starren Strukturen, die den Schreiber umgeben, zum Leben.